Seit September 2015 bewegt der Abgasskandal die Gemüter. Seinerzeit wurde bekannt, daß in Diesel-Fahrzeugen der Volkswagen AG eine Abschalteinrichtung installiert worden war, die dazu führte, daß auf dem Prüfstand andere Abgaswerte realisiert wurden als im Realbetrieb. Die installierte Software soll hierzu anhand des Fahrverhaltens erkennen, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befindet.
Weltweit sind Millionen von Fahrzeugen betroffen. Während in den USA eine weitreichende Entschädigung der Käufer stattfindet, mußten Käufer der betroffenen Fahrzeuge in Deutschland der Presse entnehmen, daß es hier leider keine Möglichkeit gibt, den ihnen entstandenen Schaden bei den Fahrzeugherstellern geltend zu machen.
Dies ist eindeutig falsch.
Auch ohne Erhebung einer Sammelklage können betroffene Fahrzeugkäufer Ansprüche gegenüber den Fahrzeugherstellern und hier insbesondere gegenüber der Volkswagen AG geltend machen. Auch wenn die Rechtslage komplex ist und die Rechtsprechung noch keine einheitliche Linie aufweist, zumal obergerichtliche Entscheidungen bislang nur in geringer Zahl ergangen sind, so liegen uns doch zahlreiche Urteile vor, mit denen die Volkswagen AG zur Rücknahme von Fahrzeugen verurteilt worden ist, die vom Abgasskandal betroffen. Die Volkswagen AG wurde auch zur Rücknahme von Fahrzeugen verurteilt, die gar nicht unmittelbar von der Volkswagen AG (sondern z.B. von Audi) hergestellt worden sind oder die nicht direkt von der Volkswagen AG erworben worden sind. Ausschlaggebend ist, daß die Volkswagen AG den Motor mit der manipulierten Software in Verkehr gebracht hat.
Muß die Volkswagen AG das Fahrzeug zurücknehmen, hat der Fahrzeugkäufer einen Anspruch auf Rückzahlung des damaligen Kaufpreises. Er muß sich zwar die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Üblicherweise kann der Käufer indes deutlich mehr beanspruchen als das Fahrzeug noch an Wert aufweist. Eine ausführliche Darstellung der Berechnung der gezogenen Nutzungen finden Sie weiter unten.
Andere Fahrzeugkäufer, die ihr Fahrzeug behalten wollten, konnten Urteile erringen, mit denen die Volkswagen AG zum Ausgleich der durch den Abgasskandal verursachten Wertminderung verurteilt wurde.
Wer wußte was?
Ein entscheidender Punkt in den Verfahren gegen die Volkswagen AG ist die Frage, wann der Vorstand des Konzerns Kenntnis von der Manipulation an den Fahrzeugen erlangt hat. Beruft sich der Kunde auf eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung durch den Fahrzeug-Hersteller, so muß er grundsätzlich beweisen, daß der Vorstand Kenntnis von der Manipulation hatte.
Da es sich hierbei um Umstände handelt, welche sich ganz überwiegend konzernintern abgespielt haben und in welche der Kläger regelmäßig keinen Einblick hat, greifen verschiedene Gerichte zugunsten der Kläger auf den Grundsatz der sogenannten „sekundären Darlegungslast“ zurück. Zunächst muß dann also der Konzern zu den maßgeblichen Tatsachen vortragen.
So hat etwa das LG Hildesheim ausgeführt:
„Eine solche sekundäre Darlegungslast besteht, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die bestreitende Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihr zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. (…) Das ist hier der Fall: Der Kläger hat naturgemäß keinen Einblick in die internen Entscheidungsvorgänge der Beklagten zu 2) und ist auf Veröffentlichungen der Medien und auf Rückschlüsse und Vermutungen angewiesen. Er hat den ihm insoweit zuzumutenden Vortrag erbracht. Die Beklagte zu 2) hingegen (und wer wenn nicht sie?) hat jede Möglichkeit, die in ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgänge und Entscheidungsprozesse darzulegen, um es so dem Kläger zu ermöglichen, seinerseits die ihm obliegende weitere Darlegung und den erforderlichen Beweisantritt vornehmen zu können.“
Wenn nun die Volkswagen AG behauptet, daß sie keine sekundäre Darlegungslast treffe, da sie selbst auch noch nicht über die erforderliche Kenntnis verfüge und die Ermittlungen noch liefen, so ist dies nach unserer Auffassung nicht überzeugend. So hatte die Volkswagen AG nach einem Bericht etwa von n-tv, der sich hier einsehen läßt, zunächst eine schonungslose Aufklärung versprochen, dann indes kalte Füße bekommen und darauf verwiesen, daß es keinen Abschlußbericht geben werde. Die Veröffentlichung eines solchen Berichtes sei „unvertretbar riskant“. Unseres Erachtens kann Volkswagen dann nicht gleichzeitig darauf verweisen, daß man dem Gericht alle Informationen zur Verfügung stellen würde, wenn die Ermittlungen doch nur bereits abgeschlossen wären.
Der Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises gegen Rücknahme des Fahrzeuges
Kann der Käufer sein Fahrzeug zurückgeben, so kann er die Erstattung des seinerzeit gezahlten Kaufpreises geltend machen abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die mit dem Kfz zurückgelegten Kilometer. Die Nutzungsentschädigung liegt dabei allerdings derart niedrig, daß der durch den Hersteller zu erstattende Kaufpreis in aller Regel den aktuellen Marktwert des gebrauchten Fahrzeuges übersteigt. Die Rechtsprechung behilft sich mit der folgenden Formel zur Berechnung der Nutzungsentschädigung:
(Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer) / Erwartbare Gesamtlaufleistung = Nutzungsentschädigung in Euro
Ein Beispiel:
Der Käufer hat ein Fahrzeug für 30.000,- € erworben. Die erwartbare Gesamtlaufleistung liegt bei 300.000 km. Hat er nun bereits 40.000 km mit dem Fahrzeug zurückgelegt, muß er sich nur 4.000,- € anrechnen lassen. Der tatsächliche Wertverlust des Fahrzeuges ist indes höher, selbst wenn man den Dieselskandal und dessen Folgen unberücksichtigt ließe.
Der Anspruch auf Zahlung einer Wertminderung
Diesem Anspruch liegt zugrunde, daß das Fahrzeug aufgrund des Einsatzes der „Schummelsoftware“ objektiv weniger wert ist. Verschiedene Gerichte haben den betroffenen Käufern bereits Ansprüche wegen der Wertminderung ihrer Fahrzeuge zugesprochen. Nach unserer Auffassung werden diese Ansprüche sich wenigstens auf 10% des Kaufpreises belaufen. Auf eine Wertminderung in diesem Umfang hat etwa das LG Krefeld erkannt und wie folgt ausgeführt:
„Es ist gerichtsbekannt, daß die Preise für die vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge vor allem im letzten Jahr gesunken sind. Die Händler kaufen derartige Fahrzeuge nicht mehr an, da sie entsprechende Fahrzeuge auf Halde stehen haben. Das ist der Kammer aus der entsprechenden Berichterstattung in Rundfunk, Fernsehen und Tageszeitungen bekannt.“
Das LG Berlin hat ebenfalls auf eine Wertminderung von 10% des Kaufpreises erkannt.
Lassen sich nach Durchführung der Nachrüstung noch Ansprüche geltend machen?
Auch diese Frage ist – wie könnte es anders sein – streitig. So läßt sich trefflich darüber streiten, ob und ggf. welche nachteiligen Wirkungen für das Fahrzeug mit der Nachrüstung verbunden sind. In der Diskussion werden insbesondere nachteilige Folgen für die Haltbarkeit des Partikelfilters aber auch des gesamten Motors genannt.
In einer unseres Erachtens überzeugenden Entscheidung hat das LG Berlin überzeugend dahingehend erkannt, daß es hierauf gar nicht ankommt. Dem Fahrzeug wohne der dauerhafte Makel inne, vom Abgasskandal betroffen zu sein.
„Wie bereits ausgeführt haftet dem Fahrzeug für den Rest seiner Betriebsdauer der Makel an, von dem sogenannten „Abgas-Skandal“ betroffen zu sein. Insoweit muß berücksichtigt werden, daß der sog. „Abgasskandal“ Gegenstand breiter öffentlicher Wahrnehmung und Diskussion ist, einschließlich der Nachbesserungsversuche von Herstellerseite. Dabei verkennt das Gericht nicht, daß es zwischen den Parteien streitig ist, inwiefern die Vornahme des Softwareupdates langfristig zu negativen Folgen für das streitgegenständliche Fahrzeug führen wird, etwa hinsichtlich Verlust der Zulassung, Erhöhung des Verschleißes, Erhöhung des Verbrauchs oder Erhöhung des CO2-Ausstoßes. Darauf kommt es aber insoweit nicht an, denn bereits das Bestehen eines naheliegenden Risikos eines bleibenden merkantilen Minderwerts ist ausreichend (…). Es steht für das Gericht außer Zweifel, daß eine erhebliche Verunsicherung des Marktes besteht, was zwangsläufig negative Auswirkungen auf den Wert betroffener Dieselfahrzeuge hat.“
Entsprechend bejahte das Landgericht Ansprüche des betroffenen Käufers. Sie sind vom Abgasskandal betroffen?
Gerne beraten wir Sie ausführlich zu den Erfolgsaussichten eines Vorgehens gegen den Fahrzeughersteller.
Wie ist die Rechtslage, wenn das Fahrzeug finanziert worden ist?
Wenn der Käufer den Kaufpreis für das Fahrzeug unmittelbar über eine Bank finanziert hatte, könnte ihm noch ein zusätzlicher Weg zur Verfügung stehen: Auch Jahre nach Vertragsschluß kann die Möglichkeit bestehen, den Finanzierungsvertrag zu widerrufen, wobei damit auch der damit verbundene Kaufvertrag hinfällig ist.
Verschiedene Gerichte haben Ende 2017/Anfang 2018 die Vertragsbedingungen gerade der großen Autobanken, über die die im Kfz-Handel Fahrzeug-Finanzierungen durchgeführt werden, für unwirksam erachtet.
Unter anderem das LG Arnsberg und das LG Berlin haben in Urteilen aus November bzw. Dezember 2017 die Bank dazu verpflichtet, dem betroffenen Darlehensnehmer auf dessen Widerruf hin den finanzierten Betrag zu erstatten Zug um Zug gegen Rücknahme des Kfz.
Streitig ist unter anderem noch, welche Beträge sich der Käufer bei der Fahrzeugrückgabe anrechnen lassen muß, dies etwa für gefahrene Kilometer. Das Gesetz sieht vor, daß der Käufer nach dem Widerruf – sofern er entsprechend belehrt worden ist – Wertersatz zu leisten hat. Der Widerruf entsprechender Verträge kann für den Autokäufer im Einzelfall eine ausgesprochen günstige Möglichkeit darstellen, sich von dem Fahrzeugkauf zu lösen.
Gerne prüfen wir für Sie, ob auch Ihnen ein solches Widerrufsrecht zusteht.