Im Bereich des Strafrechts geht die anwaltliche Tätigkeit mit einem besonders hohen Maß an Verantwortung einher, da eine Verurteilung weitreichende Folgen nach sich ziehen kann und die Beschuldigtenstellung in einem Strafverfahren oftmals mit einer erheblichen persönlichen Belastung verbunden ist. 

So kann neben der Verurteilung zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe beispielsweise auch der Entzug der Fahrerlaubnis oder gar die Verhängung eines Berufsverbotes drohen.

Die Tätigkeit des Strafverteidigers beginnt dabei im Idealfall bereits im Stadium des sogenannten Ermittlungsverfahrens , um frühzeitig die „Weichen“ für das weitere Verfahren setzen zu können. Der Strafverteidiger berät seinen Mandanten über die Rechte, welche ihm als Beschuldigtem zustehen. Das wichtigste Instrument der Strafverteidigung ist dabei die Akteneinsicht, durch welche der Mandant erstmals umfassend Kenntnis erlangt betreffend den ihm gegenüber erhobenen Vorwurf sowie die Beweislage. Oberstes Ziel der Verteidigung im Ermittlungsverfahren sollte dabei sein, das Verfahren zur Einstellung zu bringen.

Wirtschaftsstrafsachen als Spezialgebiet des Strafrechts setzen in besonders hohem Maße eine akribische und von fachlicher Kompetenz geprägte Arbeitsweise voraus, zumal der Aktenumfang nicht selten erheblich ist und oftmals komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge zu erfassen sind.

Um so größer ist allerdings auch die Möglichkeit des Verteidigers, entscheidenden Einfluß auf den Verlauf des Verfahrens zu nehmen. Wirtschaftsverfahren sind zudem häufig Gegenstand von Absprachen (den sogenannten „Deals“ ).

Die anwaltliche Tätigkeit im Strafrecht kann schließlich auch der Vertretung des Nebenklägers dienen, welcher als Verletzter dem Strafverfahren nicht nur als Zeuge beiwohnen will. Dem Nebenkläger stehen im Rahmen der Hauptverhandlung eigene Rechte zu, bei deren Wahrnehmung anwaltliche Hilfe zweckmäßig sein kann. Dabei kann der Nebenkläger auch Rechtsmittel einlegen, hat ein Recht auf Akteneinsicht und kann in der Hauptverhandlung selbst Anträge stellen.

Einen Überblick über die Tätigkeit des Strafverteidigers können Sie der folgenden Zusammenstellung entnehmen: Der Verteidiger im Strafverfahren.

Daneben dürfen wir auf eine kurze Übersicht zur “ Pflichtverteidigung“ sowie zu den Rechten des Beschuldigten im Strafverfahren“ verweisen.

 


Wissenswertes

 

I Materielles Strafrecht incl. Strafzumessung

Strafbar? – Lebensgefährtin duldet Anbau von Betäubungsmitteln in gemeinsamer Wohnung

In dem Fall, den das OLG Karlsruhe zu entscheiden hatte, hatte die Lebensgefährtin von dem Anbau von Betäubungsmitteln nicht profitiert, diese selbst nicht konsumiert und auch wiederholt zum Ausdruck gebracht, hiermit nicht einverstanden zu sein (jedenfalls konnte ihr nicht anderes nachgewiesen werden). Unternommen hatte sie gegen den Anbau in der gemeinsamen Wohnung jedoch nichts. Zutreffend hat das OLG ausgeführt, daß keine Verpflichtung bestand, den Lebensgefährten an der Begehung der Straftat zu hindern. Angesichts des deutlich gegenüber dem Lebensgefährten zum Ausdruck gebrachten Mißfallens an dem Anbau der Betäubungsmittel hat sie ihn auch nicht „psychisch“ unterstützt. Eine Strafbarkeit war nach Auffassung des Gerichts daher nicht gegeben.

 

Strafbar? – Verwendung von NS-Symbolen in ablehnender Weise

Heftig umstritten war die Frage, ob die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auch dann strafbar ist, wenn der Verwender die Symbole in einer Weise verwendet, die die Ablehnung der Symbole deutlich macht (durchgestrichene Hakenkreuze etc.).

In einer begrüßenswerten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof hierzu ausgeführt, daß eine Strafbarkeit nicht gegeben ist, wenn das Element der Ablehnung auch für einen zufälligen Beobachter „offenkundig und eindeutig“ ist.

 

Strafbar? – Unterlassene Rückgabe gemieteter DVDs

Der Beschuldigte eines vor dem LG Potsdam geführten Verfahrens hatte es unterlassen, gemietet DVDs zurückzugeben, weswegen ihm Unterschlagung vorgeworfen wurde. Zu einer Verurteilung kam es nicht, da für das Vorliegen einer Unterschlagung die lediglich unterbliebene Rückgabe der DVDs nicht ausreicht. Der Täter muß vielmehr zum Ausdruck bringen, „wie ein Eigentümer“ mit den einbehaltenen Gegenständen verfahren zu wollen. Dieses wäre etwa der Fall gewesen, wenn der Beschuldigte den Aufbewahrungsort verheimlich oder den Besitz geleugnet hätte, nach Auffassung des Gerichts aber auch etwa bei Eintritt eines erheblichen Wertverlustes durch steten Gebrauch.

Diese Entscheidung stützt den Gedanken, daß das Strafrecht die „ultima ratio“ sein soll, also das letzte Mittel, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen. Nicht jede zivilrechtliche Verfehlung – und um eine solche handelte es sich hier, da der Beschuldigte die DVDs unstreitig zurückzugeben hatte – ist auch gleich mit Strafe bedroht.

 

Strafbar? – Dritte nutzen Internetanschluß für Urheberrechtsverstöße?

Regelmäßig kommt es vor, daß die Polizei einen Anhörungsbogen an einen Betroffenen versendet und dabei den Verdacht äußert, daß er über eine sogenannte „Tauschbörse“, also ein P2P-Netzwerk, eine Urheberrechtsverletzung begangen habe. Dieses wird regelmäßig allein daran festgemacht, daß es sich bei dieser Person um den Anschlußinhaber handelt und eine Urheberrechtsverletzung von diesem Anschluß aus erfolgt sein soll. Dabei ist aber zu beachten, daß die Strafbarkeit hier „Vorsatz“ voraussetzt. Hat ein Dritter ohne Kenntnis des Anschlußinhabers die Urheberrechtsverletzung begangen, welches vergleichweise häufig der Fall ist, so scheidet die Strafbarkeit aus.

Gleichwohl kann es sinnvoll sein, Akteneinsicht zu beantragen. Derartige Strafverfahren gehen regelmäßig auf eine Strafanzeige des Rechtsinhabers zurück und dient weniger der Strafverfolgung als vielmehr der Geltendmachung von Schadensersatz und der Einforderung einer sogenannten strafbewehrten Unterlassungserklärung. Da hier – mit gewissen Einschränkungen – auch der Anschlußinhaber herangezogen werden kann, kann es zweckmäßig sein, der Aufforderung durch die Abgabe einer eigenen Unterlassungserklärung zuvorzukommen.

Zu diesem Themenkomplex dürfen wir auf einen Kurzbeitrag unserer Kanzlei verweisen, welcher den Anwaltsbesuch aufgrund der zahlreichen, im Einzelfall zu bedenkenden Gesichtspunkte zwar nicht zu ersetzen vermag, Ihnen aber vorab einen gewissen Überblick verschaffen kann.

 

Gefährliche und schwere Körperverletzung

Hierbei handelt es sich um zwei Straftatbestände, welche selbst in der Presse regelmäßig verwechselt werden.

Die Gefährliche Körperverletzung ist unabhängig von den Folgen der Tat. Eine gefährliche Körperverletzung liegt etwa vor, wenn eine Waffe oder ein sogenanntes „gefährliches Werkzeug“ verwendet wird, wenn mehrere Täter gemeinsam handeln oder die Tathandlung ganz abstrakt geeignet ist, das Leben zu gefährden.

Eine schwere Körperverletzung liegt dagegen nur dann vor, wenn die Tat ganz besonders erhebliche Folgen gehabt hat, also beispielsweise Siechtum, Lähmung oder der Verlust eines wichtigen Körpergliedes eingetreten ist. In Einzelfällen können auch entstellende Narben die schwere Körperverletzung begründen. Nach einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2007 reicht allein eine 12 cm lange und 4 mm breite, blaßrötliche, leicht wulstige Narbe vom linken Halsbereich bis zum linken Ohrläppchen nicht aus, die erforderliche erhebliche Entstellung zu bewirken. Die Narbenbildung muß mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen einhergehen, damit eine Vergleichbarkeit zu den anderen Fällen der schweren Körperverletzung besteht.

 

Körperverletzung mit Todesfolge

Wegen Körperverletzung mit Todesfolge wird bestraft, wer die Körperverletzung vorsätzlich verursacht hat, im Hinblick auf den infolge der Körperverletzung eingetretenen Tod des Opfers allerdings nur fahrlässig gehandelt hat. Fahrlässigkeit setzt dabei stets voraus, daß der Eintritt des Todes für den Täter vorhersehbar war, er ihn also zumindest für möglich halten mußte.

Dem BGH lag nun ein Sachverhalt vor, in welchem der Täter das am Boden liegende Opfer einen Tritt an den Oberkörper versetzt hatte. Dieses war hieran verstorben, wobei allerdings nicht auszuschließen ist, daß der Todeseintritt infolge des Fußtritts auf eine medizinisch besonders seltene Anfälligkeit des Opfers zurückzuführen war.

Der BGH hat im Hinblick auf den Todeseintritt dennoch fahrlässiges Handeln des Täters angenommen. Zwar habe der Täter von der besonderen Empfindlichkeit des Opfers nichts wissen können. Dieses sei allerdings auch nicht erforderlich. Es sei ausreichend, daß der Täter wissen konnte, daß die Tathandlung ganz grundsätzlich zum Tode führen könne. Dies sei bei Fußtritten in den Oberkörper stets der Fall. Unerheblich sei dann, ob der Todeseintritt auf eine besondere, für den Täter nicht vorhersehbare medizinische Konstellation zurückzuführen sei.

 

Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer

Der „Räuberische Angriff auf Kraftfahrer“ stellt einen eigenständigen Straftatbestand dar. Der Gesetzgeber sah hier eine besondere Schutzbedürftigkeit darin, daß der Kraftfahrer durch die Konzentration auf die Verkehrslage und die Bedienung des Fahrzeuges in seinen Verteidigungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt ist.

Die Auslegung dieser Vorschrift hat die Gerichte schon so manches Mal beschäftigt, so auch den BGH in einem Fall, in welchem dann im Jahre 2007 die Entscheidung ergangen ist. Hier hatten mehrere Täter eine andere Person angegriffen, welche sich zwar in einem Kfz befand, dieses jedoch noch nicht gestartet hatte. Es lag also gerade keine eingeschränkte Verteidigungsmöglichkeit aufgrund der Teilnahme am Straßenverkehr vor. Die Täter zwangen das Opfer dann, die Fahrt anzutreten.

Der BGH hat den räuberischen Angriff auf Kraftfahrer bejaht. Durch die erste Angriffshandlung hätten sich die Täter des Opfers noch nicht „kontrolliert bemächtigt“. Erst durch die erzwungene Fahrt seien die Abwehr- und Fluchtmöglichkeiten „endgültig eingeschränkt“ worden. Anders sei der Fall zu beurteilen, wenn die Täter das Opfer bereits deutlich früher – etwa in der Wohnung des Opfers – in ihre Gewalt gebracht und dann zu einer Fahrt gezwungen hätten.

Konsequenz für die Verteidigung: Im Einzelfall ist maßgeblicher Gesichtspunkt, in welcher Weise eine zusätzliche Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten des Opfers durch die Teilnahme am Straßenverkehr vorgelegen hat. Man darf sich sicher sein, daß die jeweilige Auslegung die Gerichte auch weiterhin befassen wird.

 

Straftatbestand:Nachstellung („Stalking“)

Auch vor März 2007 konnten (zivil-)gerichtliche Schritte gegen sogenannte Stalker eingeleitet werden. Der Gesetzgeber hielt es jedoch für erforderlich, der „Nachstellung“ einen eigenen Straftatbestand zu widmen. Die einzelnen Tathandlungen sind derart allgemein bezeichnet, daß sie eine Ausuferung der Strafbarkeit vermuten lassen (das Aufsuchen der räumlichen Nähe, Kontaktherstellung über Telekommunikationsmittel oder Dritte etc.), zumal dann in § 238 Abs.1 Nr.5 StGB auch belangt werden kann, wer „andere vergleichbare Handlungen“ vornimmt.

Zu einer solchen Ausuferung des Straftatbestandes kommt es allerdings nicht, da die Handlungen nur nach dieser Vorschrift strafbar sind, wenn sie die „Lebensgestaltung“ des Opfers „schwerwiegend beeinträchtigen“.

Die Strafverteidigung hat diesem Gesichtspunkt besondere Aufmerksamkeit zu widmen. So hat etwas das OLG Hamm in einem Beschluß aus November 2008 festgestellt, daß es nicht ausreichend ist, wenn ein Gericht lediglich feststellt, daß das Opfer „mit den Nerven am Ende“ gewesen ist. Das Gesetz erfaßt lediglich schwerwiegende und unzumutbare Beeinträchtigungen, nicht hingegen weniger gewichtige Maßnahmen der Eigenvorsorge.

Ist das Opfer damit schutzlos, wenn es eine schwerwiegende Beeinträchtigung seiner Lebensgestaltung nicht zuläßt? Nein, denn weiterhin stehen die zivilrechtlichen Möglichkeiten (Gewaltschutzgesetz!) zur Verfügung. Das Strafrecht aber bleibt, wozu es bestimmt ist:Ultima ratio, also die letztmögliche Lösung. (Entsprechend hat es im Jahre 2007 dann zwar allein in NRW eine vierstellige Anzahl an Strafverfahren wegen Nachstellung gegeben, von denen allerdings nur wenige zu einer Verurteilung geführt haben).

 

(Verminderte) Schuldfähigkeit und Alkoholisierung I

Grundsätzlich wird davon ausgegangen, daß einer erheblich verminderte Schuldfähigkeit bei Erwachsenen nicht vorliegt, wenn die Blutalkoholkonzentration (BAK) unter 2 Promille liegt (Die Grenze liegt bei Straftaten wie Totschlag und Mord aufgrund der gesteigerten „Hemmschwelle“ sogar noch höher.

Nach einer Entscheidung des OLG Hamm ist aber auch bei einer geringeren BAK das Vorliegen verminderter Schuldfähigkeit zu erörtern, wenn es konkrete Anhaltspunkte hierfür gibt. Hier sind insbesondere alkoholbedingte Ausfallerscheinungen zu berücksichtigen.

 

(Verminderte) Schuldfähigkeit und Alkoholisierung II

Ein Strafgericht hatte einem Angeklagten die erheblich verminderte Schuldfähigkeit versagt, weil das Verhalten des Angeklagten während und nach der Tat keine erheblichen Ausfallerscheinungen gezeigt habe. Der BGH hat dieses in einem Beschluß aus dem Jahre 2007 beanstandet, zumal es sich bei dem Angeklagten um einen Menschen mit „hoher Alkoholgewöhnung“ gehandelt habe. Hier zeige sich häufig eine „durch Übung erworbene erstaunliche Kompensationsfähigkeit im Bereich grob motorischer Auffälligkeiten“. Dieses lasse dann nicht darauf schließen, daß die innere Leistungsfähigkeit gleichfalls nicht wesentlich beeinträchtigt gewesen sei.

 

Strafzumessung – Strafmilderung wegen Alkoholisierung?

Soll von einer Strafmilderung wegen Alkoholisierung gemäß §§ 21, 49 Abs.1 StGB abgesehen werden, so setzt dies nach einer Entscheidung des BGH voraus, daß der Alkoholkonsum dem Angeklagten zum Vorwurf gemacht werden kann. Ein solcher Vorwurf kann ihm nicht gemacht werden, wenn er den Alkohol aufgrund eines unwiderstehlichen oder ihn weitgehend beherrschenden Hanges trinkt, welcher seine Fähigkeit einschränkt, der Versuchung zum übermäßigen Alkoholkonsum zu widerstehen (BGH Beschluß v. 10.07.2007 – 3 StR 233/07).

 

Strafzumessung – Strafschärfung wegen Alkoholisierung?

Der Bundesgerichtshof hatte darüber zu befinden, ob eine Alkoholisierung strafschärfend berücksichtigt werden durfte, und hat dies verneint. Ganz im Gegenteil stelle eine nicht verschuldete Alkoholisierung (siehe die vorstehende Entscheidung) nach dem Gesetz einen Strafmilderungsgrund dar. Im umgekehrten Fall sei dann aber eine Berücksichtigung zuungunsten des Angeklagten nicht zulässig.

 

Strafzumessung – Strafschärfung zur Abschreckung anderer potentieller Täter?

Im Mittelpunkt der Strafzumessung steht die Einwirkung der Strafe auf den Täter, welche diesen gewissermaßen auf den rechten Weg zurücksetzen oder – wenn es erforderlich ist – die Allgemeinheit vor dem Täter schützen soll (sog. Spezialprävention). Grundsätzlich anerkannt ist aber auch die sogenannte Generalprävention, welche die Wirkung der verhängten Strafe auf die Allgemeinheit berücksichtigt. Darf nun ein Täter härter bestraft werden, um andere Täter abzuschrecken? … Nur in Ausnahmefällen lautet die Antwort:Ja. Voraussetzung ist hier, daß eine „gemeinschaftsgefährliche Zunahme“ entsprechender Straftaten festgestellt wird, so daß es der Abschreckungswirkung tatsächlich bedarf.

 

Strafzumessung bei Bagatelldiebstahl

Ein Gericht verurteilte einen erheblich vorbestraften Angeklagten zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe. Der Wert des Diebesgutes lag bei unter 10,- €. Das angerufene OLG Oldenburg hob das Urteil mit einer lesenswerten Entscheidung auf. Angesichts des geringen Wertes des Diebesgutes sei eine Freiheitsstrafe, welche einen Monat übersteige, schlichtweg schuldunangemessen.

 

Ausländerrecht – Strafbarkeit wegen fehlender Aufenthaltsgenehmigung

Der Täter hatte eine Aufenthaltsgenehmigung durch Täuschung der Behörden erlangt. Er wurde sodann verurteilt wegen des Fehlens einer Aiufenthaltsgenehmigung, wobei das Gericht die bestehende Aufenthaltsgenehmigung wegen der Täuschung für unbeachtlich hielt.

Diese Entscheidung hat der BGH aufgehoben. Das Verwaltungsrecht sehe keine grundsätzliche Unwirksamkeit einer durch Täuschung erlangten Aufenthaltsgenehmigung vor. Hieran sei das Strafgericht gebunden. [Aber Achtung:Die Rechtsprechung hat reagiert und § 95 Abs.6 AufenthG eingeführt!].

 

II Strafprozeßrecht

(Un-)Verhältnismäßigkeit des Haftbefehls

Im Rahmen des Haftbefehlserlasses ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Nach einer Entscheidung des OLG Naumburg ist ein Haftbefehl etwa dann unverhältnismäßig und daher aufzuheben, wenn das Verfahren über zwei Monate hinweg nicht gefördert wird.

 

Wie weit reicht das „Lügerecht“ des Angeklagten?

Der Angeklagte ist nicht verpflichtet, sich selbst zu belasten (sog. „nemo tenetur-Grundsatz“). Sein Schweigen darf ihm nicht zur Last gelegt werden, es dürfen also keine negativen Schlüsse daraus gezogen werden, auch darf er wegen seines Schweigens nicht härter bestraft werden. Letztlich darf der Angeklagte sogar die Unwahrheit sagen.

Er kann sich also auch damit verteidigen, daß ein anderer die Tat begangen habe. Allerdings ist es wiederum strafbar, einen anderen fälschlich einer Straftat zu bezichtigen.

Nach einer Entscheidung des BGH darf der Angeklagte in Einzelfällen auch dieses, wenn „die Grenze zulässiger Verteidigung“ nicht überschritten wird, so etwa wenn ein anderer gezielt herabgewürdigt oder fälschlich einer Straftat bezichtigt wird, obwohl dies nach den Umständen des Einzelfalles zur Verteidigung nicht erforderlich gewesen wäre.

 

Lügerecht und Beweiswürdigung des Gerichts

Festzuhalten bleibt zunächst, das die Lüge eines Angeklagten im Falle der Verurteilung nicht strafschärfend herangezogen werden darf. Damit ist aber noch nicht geklärt, ob ein Gericht aus der Tatsache, daß der Angeklagte die Unwahrheit gesagt hat, den Schluß ziehen darf, daß er die Tat begangen hat. So war ein Gericht verfahren, wobei es die erwiesene Lüge des Angeklagten sowie einen von diesem begangenen Fluchtversuch als Indizien für die Täterschaft angesehen hatte.

Der BGH ist dem in einer Entscheidung aus 2007 entgegengetreten. Zutreffend wies der BGH darauf hin, daß auch ein Unschuldiger motiviert sein kann, sich einem Strafverfahren mit für ihn unsicherem Ausgang entziehen will. Ebenso sei es möglich, daß auch ein Unschuldiger sich von unwahren Angaben im Strafverfahren einen Vorteil erhoffe.

Es ist allerdings durchaus fraglich, ob sich die zur Urteilsfindung berufenen Richter und Schöffen völlig davon freimachen können, daß der Angeklagte sich auf ein erwiesen unwahres Alibi berufen hat…

 

Mängel der Anklageschrift

Die Anklageschrift hat (unter anderem) die Funktion, den Anklagevorwurf so genau zu umgrenzen, daß der Umfang der Rechtskraft eines darauf basierenden Urteils klar bestimmt wäre (sog. Umgrenzungsfunktion). Daher müssen einzelne Straftaten voneinander abgegrenzt werden, damit bei Bekanntwerden weiterer Straftaten des Beschuldigten klar ist, ob diese von dem entsprechenden Urteil bereits erfaßt sind.

Wird die Anklageschrift dieser Funktion nicht gerecht, sondern weist gravierende Mängel auf, so ist das Verfahren nach einem Beschluß des BGH vom 14.02.2007 (Vorinstanz war das Landgericht Aurich) einzustellen. Das Gericht hat Mängel der Anklageschrift von Amts wegen zu berücksichtigen, so daß der Beschuldigte sich auch noch in der Rechtsmittelinstanz darauf berufen kann, daß keine wirksame Anklage vorgelegen hat.

Die Staatsanwaltschaft ist dabei grundsätzlich nicht gehindert, nach entsprechender Einstellung des Verfahrens erneut Anklage einzureichen. Allerdings kann inzwischen Verjährung eingetreten sein. Auch kann es im Einzelfall sein, daß der Zeitraum seit Begehung der Straftaten im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen ist, wenn dieser seitdem keine weiteren Straftaten begangen hat. Letztlich kann es in seltenen Fällen auch dazu kommen, daß die Dauer des Strafverfahrens aufgrund der Einstellung des Verfahrens und der Erhebung einer neuen Anklage derart erheblich ist, daß bereits die Verfahrensverzögerung zugunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen ist.

 

Darf einem Verteidiger eine Frist zur Stellung von Beweisanträgen gesetzt werden?

Der Vorsitzender einer Strafkammer hatte der Verteidigerin eine Frist gesetzt, binnen derer sie Beweisanträge stellen sollte. Zuvor hatte diese zwar eine Vielzahl von Beweisanträgen angekündigt, diese jedoch auch auf mehrmalige Nachfrage des Vorsitzenden nicht gestellt. Um spätere Verzögerungen des Verfahrens zu vermeiden, erfolgte dann die Fristsetzung. Die Strafkammer hat die Entscheidung des Vorsitzenden dann bestätigt.

Sodann hat die Verteidigerin einen Befangenheitsantrag gegen die Richter der Strafkammer gestellt.

Durch Beschluß vom 19.06.2007 hat der BGH bestätigt, daß eine Befangenheit der Kammer hier nicht gegeben war. Nach Auffassung des BGH war die Fristsetzung hier angesichts des bisherigen Prozeßverlaufs und des Verhaltens der Verteidigerin nicht nur zulässig, sondern sogar geboten, um einer Prozeßverzögerung entgegenzuwirken.

Wären weitere Beweisanträge nach Fristablauf dann grundsätzlich unzulässig gewesen? Diese Frage ist zu verneinen. Allerdings kann das Gericht Beweisanträge ablehnen, welche in der Absicht gestellt werden, den Prozeß in die Länge zu ziehen („Prozeßverschleppungsabsicht“). Das Überschreiten der Frist hätte das Gericht dabei als Indiz dafür werten können, daß eine solche Absicht vorlag.

 

Befangenheitsantrag bei Drohung mit hoher Strafe bei fehlendem Geständnis

Eine „Waffe“ der Verteidigung ist der Befangenheitsantrag, mit dem ein Richter wegen Befangenheit abgelehnt werden kann, wenn „für den besonnenen Angeklagten bei verständiger Würdigung der Sachlage Grund zu der Annahme besteht, daß der betroffene Richter eine innere Haltung angenommen hat, welche seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflußt.“

Das Instrument des Befangenheitsantrages gebietet einen sorgfältigen Umgang, um nicht durch einen unberechtigten Befangenheitsantrag ungewollt eine gewisse Befangenheit erst zu erzielen, welche dann freilich nicht mit dieser Begründung zum Gegenstand eines erneuten Befangenheitsantrages gemacht werden kann.

Der BGH hatte im Jahre 2007 einen Fall zu entscheiden, in welchem das Gericht den Angeklagten zu einem Geständnis quasi gedrängt hatte, wobei der Angeklagte dieses auch über seinen Verteidiger mehrfach in Aussicht gestellt hatte, dann allerdings mehrfach in der Verhandlung den Tatvorwurf bestritten hatte. Das Gericht drohte dem Angeklagten – sichtlich verärgert – damit, auch eine Strafe im Bereich von 7-8 Jahren in Betracht komme, wenn kein Geständnis erfolge. Zuvor hatte das Gericht eine Strafe im Bereich von 3-4 Jahren in Aussicht gestellt, wenn ein Geständnis erfolge.

Den daraufhin gestellten Befangenheitsantrag hat der BGH nicht beanstandet. Ein derart erhebliches Auseinanderfallen der Strafhöhe sei allein durch ein Geständnis nicht erklärbar. Insgesamt kritisierte der BGH ausgesprochen deutlich die Verfahrensweise des Gerichts, dessen Verhalten den Eindruck erwecke, das Verfahren nur durch ein Geständnis beenden zu können, welches „Anlaß zu ernster Sorge über den Zustand der Strafjustiz“ gebe.

 

Dolmetscherkosten

Fehlen dem Angeklagten die erforderlichen Sprachkenntnisse, so ist ihm ein Dolmetscher zu bestellen. Die damit einhergehenden Kosten trägt die Staatskasse nach einer Entscheidung des OLG München auch dann, wenn der Angeklagte verurteilt wird. Dieses gebiete Art. 6 Abs.3 e MRK. Dabei hat der Angeklagte auch ein Anrecht darauf, die Folgen eines rechtskräftigen Urteils mit seinem Verteidiger abschließend zu besprechen, dies jedenfalls bei der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung.

 

Revisonsrecht

Die Einlegung von strafrechtlichen Revisionen ist eine Angelegenheit, mit welcher viele Anwälte, die sich nur am Rande mit dem Strafrecht befassen, überfordert sind. Gesetz und Rechtsprechung sehen hier eine Vielzahl von Fallstricken vor.

So wird bei einer Revision, welche Verfahrensfehler rügt, zwischen relativen und absoluten Revisionsgründen entschieden. Bei relativen Revisionsgründen reicht es nicht aus, den Verfahrensfehler zu rügen. Es muß ferner dargelegt werden, aus welchem Grund das Urteil auf dem Verfahrensfehler „beruht“. Es beruht darauf, wenn zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Urteil bei Beachtung der Verfahrensvorschrift anders ausgefallen wäre. Bei absoluten Revisionsgründen wird vermutet, daß das Urteil hierauf „beruht“.

Dieser Grundsatz wird allerdings zunehmend aufgeweicht. So hatte der BGH einen Fall zu entscheiden, in welchem rechtswidrig die Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung ausgeschlossen worden war. Es handelt sich um einen absoluten Revisionsgrund, welchen der Rechtsanwalt des Angeklagten entsprechend rügte.

Der BGH wies die Revision zurück, da nicht dargelegt worden sei, daß das Urteil auf dem Fehler beruhe. Das „Beruhen“ müsse auch bei absoluten Revisionsgründen in der Weise dargestellt werden, daß es zumindest nicht denkgesetzlich ausgeschlossen sei.

Im Ergebnis wird der umsichtige Verteidiger daher auch bei absoluten Revisionsgründen auf das „Beruhen“ des Urteils auf dem Verfahrensfehler eingehen.

 

III Haftrecht

Playstation als Gefahr für die Sicherheit der Vollzugsanstalt

Zahlreiche Entscheidungen befassen sich mit der Frage, den Besitz welcher elektronischen Geräte die Justizvollzugsanstalt untersagen darf. Hierzu gehört nach der Auffassung des OLG Karlsruhe auch die Spielekonsole „Sony Playstation 2“. Dieser wohne eine allgemeine Gefährlichkeit für die Sicherheit der Anstalt inne, der nicht durch zumutbare Vorkehrungen und Kontrollen wirksam begegnet werden könne. Das Gericht machte dies an den vielfältigen Möglichkeiten der Konsole fest:So verfüge sie bei Anschluß eines Mobiltelefons über einen Internetzugang, könne potentiell sicherheitsrelevante Daten speichern sowie DVDs mit strafbaren Inhalten abspielen. Auch verfüge die Konsole über Hohlräume, in denen untersagte Gegenstände verborgen werden könnten.

Ähnlich hat das OLG Brandenburg im Hinblick auf die Spielekonsole „Nintendo Game Cube“ entschieden.

 

Untersuchungsgefangene nachts ohne Strom

Diese Entscheidung zeigt auf, mit welcher Beliebigkeit einzelne Justizvollzugsanstalten (und teilweise auch die angerufenen Gerichte) Einschränkungen mit einer andernfalls bestehenden Beeinträchtigung der Sicherheitsbelange der Anstalt begründen.

Hier hatte die JVA nachts in den Zellen grundsätzlich den Strom abgestellt. Ein Untersuchungsgefangener wehrte sich hiergegen. Die JVA und das angerufene Gericht entgegneten, daß das Abstellen des Stroms erforderlich sei, da andernfalls damit zu rechnen sei, daß es zu Ruhestörungen bei Anwohnern komme. Auch seien Streitigkeiten zwischen Gefangenen mit unterschiedlichen Schlafbedürfnissen in den mehrfach belegten Zellen zu erwarten. Andere (disziplinarische) Maßnahmen würden nicht ausreichen, dem zu begegnen. Auch seien die baulichen Voraussetzungen derart, daß es nicht möglich sei, einzelnen Zellen die Stromversorgung zu belassen.

Hier mußte gar das Bundesverfassungsgericht angerufen werden, welches in seiner Entscheidung vom 10.01.2008 zutreffend darauf erkannte, daß eine rechtswidrige Grundrechtsverletzung vorliegt. Die Begründung der JVA sei viel zu pauschal. Es sei nicht ersichtlich, weshalb andere Maßnahmen nicht ausreichen sollten. Soweit bauliche Maßnahmen erforderlich seien, so habe der Staat diese zu veranlassen, wenn sie nicht völlig außer Verhältnis stünden. Auch könne die JVA nicht mit der Mehrfachbelegung der Zellen argumentieren, da Untersuchungsgefangene ein Recht auf eine Einzelzelle hätten.

 

Haftentlassung zum 2/3-Zeitpunkt

Regelmäßig werden Strafgefangene nach der Verbüßung von 2/3 der verhängten Strafe aus der Haft entlassen, wobei der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt wird. Nach dem Gesetz setzt dies unter anderem voraus, daß der Verurteilte einwilligt und die Haftentlassung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Hierbei sind die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände der Tat, das Verhalten des Verurteilten im Vollzug, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, welche von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

In einem Fall, welcher dem OLG Köln zur Entscheidung vorlag, war im Strafverfahren eine Absprache getroffen worden (sog. Deal), wonach das Gericht zugesagt hatte, daß nach Verbüßung von 2/3 der Strafe eine Haftentlassung erfolgen werde.

Hieran fühlte sich die zuständige (andere) Kammer des Gerichts später jedoch nicht gebunden. Das OLG Köln bestätigte die fehlende Bindungswirkung. Im Zeitpunkt der Verfahrensabsprache sei gar nicht vorhersehbar gewesen, ob die Voraussetzungen der Aussetzung des Strafrestes vorgelegen hätten, so daß eine solche Absprache nicht zulässig sei. Auch sei die zuständige Strafvollstreckungskammer an der Absprache nicht beteiligt gewesen, so daß diese sie auch nicht binden könne.

 

Haftentlassung zum 2/3-Zeitpunkt bei Versagung von Vollzugslockerungen (Ausländer)

Dem OLG Karlsruhe lag ein Fall zur Entscheidung vor, in welchem ein inhaftierter Ausländer ausgewiesen werden sollte. Gegen den Ausweisungsbescheid hatte er Klage eingereicht. Vollzugslockerungen wurden ihm wegen Fluchtgefahr („unsicherer ausländerrechtlicher Status“) versagt. Ebenfalls abgelehnt war dann der 2/3-Antrag (Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung), da keine Erprobung im Rahmen von Vollzugslockerungen stattgefunden hatte.

Das OLG hat dem entgegengehalten, daß Strafhaft keine Abschiebungshaft ist. Der unsichere ausländerrechtliche Status stehe der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nicht entgegen.